Radfahren in Wien

Motor bin ich selbst. 200 Jahre Radfahren in Wien

Ausgangslage

Sowohl zum bewegungs- und mobilitätskulturellen Phänomen Alltagsradfahren als auch zum Radsport in Wien lag bisher, abgesehen von zwei verstreuten Aufsätzen von Sándor Békési aus den Jahren 2003 bzw. 2006, keine umfassende Darstellung, weder in Form einer Monographie noch in Einzeldarstellungen, vor. Das Radjahr 2013 und die internationale Velo-City-Konferenz boten daher einen aktuellen Anlass für das vorliegende Forschungsprojekt zur Entwicklung des Radfahrens in Wien. In einer im Wesentlichen chronologisch orientierten Längsschnittstudie entlang der Konflikt- und anderen Entwicklungslinien rund um den Radverkehr ging es darum, das Phänomen Radfahren aus kulturhistorischer und kulturwissenschaftlicher Perspektive in die aktuellen Diskurse um Mobilität in Wien einzuspeisen.

Die bislang kaum aufgearbeitete fast 200-jährige Geschichte und Genealogie des Radfahrens in Wien sollte dabei aus möglichst vielen Facetten beleuchtet und in generelle Entwicklungslinien urbaner Mobilität integriert werden, wobei der Blick sowohl auf alltägliche Praxen der Fortbewegung per Fahrrad (Arbeit, Freizeit, Sport, Transport) als auch auf die kommunalen Aspekte der Schaffung (oder eben Be- oder Verhinderung) von Radverkehr, von legistischen bis zu städtebaulichen Rahmenbedingungen, gerichtet wurde. Besonderes Augenmerk wurde auf klassen- und geschlechterspezifische Veränderungen gelegt.

Ziel war es allerdings nicht, lediglich eine Geschichte des Radfahrens in Wien zu schreiben, sondern diese wiederum an die aktuelle Situation rückzubinden, nicht zuletzt, um rezente Auseinandersetzungen als historisch gewachsene vorzuweisen und frühere Lösungsansätze auf ihre Brauchbarkeit in der Lösung aktueller Zwistigkeiten hin zu untersuchen.

Neue Erkenntnisse

Aktuelle Debatten, wie die Frage nach Infrastruktur für den Radverkehr (Radwege) oder auch die Diskussionen um Fahrradkennzeichen etwa haben frappante Entsprechungen, wenn auch unter unterschiedlichen Prämissen etwa in den 1890er- und 1930er-Jahren. Erstmals untersucht wurde auch die Einbettung der Radfahrpolitik und deren Umsetzungspraxen in die durchaus ambivalenten nationalsozialistischen Mobilitätsdiskurse oder in die Konzepte der sogenannten „Verkehrsgemeinschaft“.

Der aktuelle Radfahrboom in Wien zeigt starke Parallelen zum Boom der 1890er-Jahre: Getragen von progressiven kulturellen Eliten war und ist er nicht nur auf den Straßen Wiens nachweisbar, sondern ein zentrales Thema, häufig durchaus emotionalisierter medialer Diskurse.

Darüber hinaus konnten im vorliegenden Forschungsprojekt bisher vollkommen offene Fragen, wie etwa die nach den Anfängen des Radfahrens in Wien oder der Entwicklung eigenständiger technischer Innovationen im Rahmen von Wiener Werkstätten, erstmals dargestellt werden.

Weiters gelang es durch umfangreiche Archivarbeiten eine qualitativ und quantitativ hochwertige Dokumentation von Bildquellen zum Radfahren in Wien über beinahe den gesamten Zeitraum zu erstellen.

Die Ergebnisse des Forschungsprojektes liegen nun in gedruckter Form vor. Mitgearbeitet haben Berhard Hachleitner, Matthias Marschik, Rudolf Müllner, Michael Zappe.

Publikationen

Müllner, R. (2013). Rasender Stillstand. Radergometer und andere Fitnessmaschinen. In B. Hachleitner, M. Marschik, R. Müllner & M. Zappe (Hrsg.), Motor bin ich selbst. 200 Jahre Radfahren in Wien (S. 184-187). Wien: Metroverlag.

Müllner, R. (2013). „Werkzeug und Waffe an der Heimatfront“. Das Fahrrad im Zweiten Weltkrieg. In B. Hachleitner, M. Marschik, R. Müllner & M. Zappe (Hrsg.), Motor bin ich selbst. 200 Jahre Radfahren in Wien (S. 116-119). Wien: Metroverlag.

Müllner, R. (2013). Mobilitätsversprechen und „Verkehrsgemeinschaft“. Alltagsradfahren im Nationalsozialismus. In B. Hachleitner, M. Marschik, R. Müllner & M. Zappe (Hrsg.), Motor bin ich selbst. 200 Jahre Radfahren in Wien (S. 108-111). Wien: Metroverlag.

Müllner, R. (2013). Sportivität einer Kaiserin. Elisabeth fährt Rad. In B. Hachleitner, M. Marschik, R. Müllner & M. Zappe (Hrsg.), Motor bin ich selbst. 200 Jahre Radfahren in Wien (S. 32-33). Wien: Metroverlag.