Der Doyen der österreichischen Sportmedizin em. Univ.-Prof. DDDDr. Ludwig Prokop ist am 28.7.2016 im 96. Lebensjahr verstorben. Sein ganzes Leben war dem Sport und der Sportmedizin auf nationaler und internationaler Ebene gewidmet.
Der vierfache Doktor (Medizin, Philosophie, Naturwissenschaften sowie Sozial- und Wirtschaftswissenschaften) wurde am 06.08.1920 in St. Pölten geboren. Nachdem Medizinstudium und der Promotion zum Dr. med. univ. 1944 und einer Ausbildung bei Prof. Böhler war er ab 1946 Leiter der sportphysiologischen Abteilung am Institut für Leibeserziehung der Universität Wien und ab 1985 Direktor der sportärztlichen Untersuchungsstelle der Stadt Wien. Ludwig Prokop habilitierte sich 1953 für Sportphysiologie und wurde 1974 zum Ordinarius für Sportphysiologie am Institut für Leibeserziehung/Institut für Sportwissenschaften ernannt. Gleichzeitig mit dieser Ernennung wurde er auch Vorstand des Instituts für Leibeserziehung/Sportwissenschaften, eine Position, die er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1990 ausübte.
Neben dieser Tätigkeit am Institut für Sportwissenschaften war Ludwig Prokop von 1979 bis 1981auch Dekan der Grund- und Integrativwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, damals eine Fakultät mit 11 Instituten und mehr als 20.000 Studierenden. Nach seiner Emeritierung 1990 vollendet er die Doktoratsstudien Dr. phil. 1993, Dr. rer. nat. 1996 und der Dr. rer. soc. oec. 2001. Nach der Umbenennung und Erweiterung der sportärztlichen Untersuchungsstelle der Stadt Wien in das Österreichische Institut für Sportmedizin leitete er als Direktor diese Institution von 1969 - 1993 und war auch der Herausgeber des Österreichischen Journals für Sportmedizin.
Seit 1955 war er mit Erika geb. Fleischmann († 2014) verheiratet. Seine drei Kinder Eva, Ilse und Klaus sind beruflich sehr erfolgreich, worauf Ludwig Prokop sehr stolz war.
Drei Bereiche prägten das Leben und Wirken von Ludwig Prokop: Zum einen der Leistungssport. Ludwig Prokop war selbst mehrfacher österreichischer Meister im Schwimmen, Fechten und Fünfkampf und betrieb bis ins hohe Alter mit Begeisterung Sport – die Schilanglauf- und Schiwettkämpfe während der Sportärztewochen in St. Christoph sind Legende! Zum zweiten - die Sportmedizin im nationalen und internationalen Bereich sowohl in Hinblick auf Wissenschaft und Forschung, wie auch auf den klinischen Bereich. Auf sein wissenschaftliches Oeuvre im Bereich der Sportmedizin bezogen seien über 800 Publikationen, darunter 32 Bücher und 150 experimentelle Arbeiten in Gebieten Physiologie, Sportmedizin, Sportschäden, Rehabilitation, Behindertensport, Alterssport, Ernährung und viele andere Inhalte mehr erwähnt. Aus seiner wissenschaftlichen Tätigkeit resultierten eine Unzahl von Vorträgen und Invited Lectures bei nationalen und internationalen Kongressen verschiedener Fachgesellschaften in 32 Ländern, speziell jedoch bei Weltkongressen der internationalen Gesellschaft für Sportmedizin (FIMS), deren Präsident er von 1976-1980 war.
In dieser Funktion ermöglichte er es, 1980 den FIMS-Weltkongress für Sportmedizin in Wien auszurichten, der ein sehr beachteter großer internationaler Erfolg wurde.
Für seine wissenschaftliche Tätigkeit erhielt Ludwig Prokop viele Ehrenmitgliedschaften ausländischer wissenschaftlicher Gesellschaften, viele Preise wie z.B. den Philip Noel Baker Research Preis, die Goldene Medaille der Stadt Nizza, die Hans Groll-Plakette und zahlreiche in- und ausländische Orden, u. a. das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst erste Klasse, das goldene Ehrenzeichen der Republik Österreich sowie den Olympischen Orden in Silber.
Neben seiner Tätigkeit im Weltverband für Sportmedizin war er aktiv in der New York Academy of Science, dem Europarat, in der WHO sowie UNESCO tätig, was ihm die Gelegenheit gab, einerseits sein Fachwissen auf dem Gebiet der präventiven und rehabilitativen Sportmedizin und Leistungsphysiologie zu vermitteln und andererseits einen engagierten Kampf gegen Doping zu führen und seine hohen ethisch moralischen Ansprüche gegen den Missbrauch von Drogen im Sport- durchzusetzen.
Bezogen auf die Ausübung der Sportmedizin in der Praxis sind sowohl seine jahrzehntelange diagnostische wie therapeutische Tätigkeit im ÖISM erwähnenswert, wie auch sein besonderes Engagement in Hinblick auf die medizinische Versorgung von österreichischen Athleten bei Olympischen Spielen. Im Rahmen seiner Tätigkeiten in verschiedensten Gremien des Österreichischen und Internationalen Komitees u. a. in der Medizinischen Kommission des IOC, nahm Ludwig Prokop an 27 Olympischen Spielen als Teamarzt und Dopingexperte des Internationalen Olympischen Komitees IOC, teil – was wohl einen einsamen Rekord bedeutet!
Nicht nur international, auch national hat Ludwig Prokop die Sportmedizin geprägt. Von 1954 bis 1975 war er Präsident des Verbandes Österreichischer Sportärzte, später Österreichische Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention, davor viele Jahre Vorstands- sowie Gründungsmitglied.
Viele junge Sportmediziner und Wissenschaftler wurden durch seine Vorträge und Publikationen geprägt und haben ihre Begeisterung für die „Sportmedizin“ in Wissenschaft und Forschung, Klinik und Praxis in den letzten Jahrzehnten beruflich umsetzen können.
Darüber hinaus konnten viele von ihnen dank seines internationalen Netzwerkes berufliche Erfahrungen im Ausland erwerben.
Über viele Jahrzehnte waren seine Abteilung am Institut für Sportwissenschaften und das ÖISM auch ein Mittelpunkt des Erfahrungsaustausches mit KollegInnen und Kollegen aus vielen Ländern u. a. aus Deutschland, der ehemaligen DDR, der damaligen Tschechoslowakei, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Italien u. a.
In diesen Jahren bewältigte Ludwig Prokop – für viele damals wie auch heute noch unfassbar – eine 60-70 Stunden Woche. Wiewohl meist von Freitag bis Sonntag bei internationalen Kongressen, FIMS oder IOC Meetings unterwegs, hatte er damals ein Lehrpensum von mehr als 20 Wochenstunden, sowohl am Institut für Sportwissenschaften wie auch an der Bundesanstalt für Leibeserziehung. Seine Vorlesungen auf der Schmelz über Sportphysiologie, Erste Hilfe sowie Hygiene der Leibesübungen waren legendär, wie auch seine praktischen Demonstrationen bei Massagekursen. Dieses Arbeitspensum bedeutete, dass Ludwig Prokop zumeist zwischen 6 Uhr und 6 Uhr 30 im Institut anzutreffen war und oft nicht vor 18 Uhr die Räumlichkeiten verließ, um anschließend Vorträge oder andere berufliche bzw. gesellschaftliche Verpflichtungen wahrzunehmen. Ludwig Prokop hat damit seinen hohen beruflichen Einsatz vorgelebt und vielen Mitarbeitern weitergegeben.
Andererseits durften Sport, Regeneration und Genuss nicht fehlen. Legendär waren die immer freitags stattfindenden Lauf- und Saunatreffs mit MitarbeiterInnen und Freunden des Instituts, welche nicht nur der sportlichen Ertüchtigung dienten, sondern auch eine hohe gruppendynamische Relevanz im Sinne einer regelmäßigen Kommunikation hatten. In späteren Jahren wurden nach Sport und Sauna auch noch ein „kleiner Lunch“ veranstaltet – ein lieb gewordener Brauch, welcher auch heute noch zu gewissen Anlässen als Tradition gepflegt wird.
In diesen Zusammenhang darf nicht unerwähnt bleiben, dass Ludwig Prokop auch ein besonderer Weinliebhaber und Kenner war und sich sowohl mit den negativen wie auch durchaus positiven Aspekten des Weinkonsums auseinandergesetzt hat, was auf der einen Seite zu viel Begeisterung, auf der anderen Seite auch zu Kritik führte.
Die österreichische und die internationale Sportmedizin verlieren mit dem Ableben von Ludwig Prokop einen ihrer prominentesten Vertreter. Einen Sportmediziner, der nicht nur den Weltrekord oder den Olympiasieg der ihm anvertrauten Athleten im Auge hatte, sondern vielmehr die Gesundheit der von ihn betreuten Sportler. Schlüsselworte wie „The Healthy Athletes“ oder „The Clean Athletes“ sowie Maßnahmen zur Vermeidung von Sportschäden waren Maxime seines Lebens- und Wirkens, lange bevor dies in internationalen Gremien selbstverständlich wurde. Dies sei nicht oft genug hervorgehoben, da diese Denken und Handeln, sein hoher ethisch-moralischer Anspruch an den Sport vor allem in Zeiten der Sieg - und Gewinnmaximierung durch die Verpolitisierung des Sportes als nationales Anliegen nicht selbstverständlich war.
Bücher wie „Grenzen der Toleranz in der Medizin“ (zusammen mit seinen Brüdern O. und H. Prokop 1990) sowie „Sport – Missbrauch und Chance“ 1992, dokumentieren dies eindrucksvoll!
Zahlreiche Menschen haben Ludwig Prokop viel zu verdanken, sei es im privaten oder beruflichen Bereich. Auch als international anerkannte Persönlichkeit hat Ludwig Prokop nie vergessen, Menschen zu helfen oder zu unterstützen, die sich mit ihren Anliegen an ihn gewandt haben.
Zuletzt sei noch ein Satz von Ludwig Prokop zitiert. „Sport ist nicht dazu da, dass man länger lebt sondern gesünder stirbt“. Sein Sportherz hat ihn bis zu seinem 96 Lebensjahr treu begleitet, wenn gleich in den letzten Jahren Einschränkungen in seiner Selbstständigkeit gegeben waren.
Unsere Anteilnahme gilt seinen drei Kindern und deren Familien wie auch seiner weit verzweigten Verwandtschaft.
Alle, die ihn kannten und schätzten, werden „unseren Luigi“ immer in Erinnerung behalten.
emer. o. Univ.-Prof. Dr. med. Dr. h. c. Norbert Bachl